Bericht von Nanette Bauer, David Bauer und Oliver Wilhelm
Freitag, der 18. Oktober 2024, 7 Uhr – In aller Herrgottsfrühe machten sich 24 Mitglieder des PWV Speyer auf den Weg nach Berlin. Es galt, die Hauptstadt während einer 7-tägigen politischen Bildungsreise unter der Führung von Helmut Back und Brigitte Regenbrecht zu erkunden.
Treffpunkt war der Speyerer Bahnhof. Von dort aus ging es mit der S-Bahn nach Mannheim und weiter mit dem ICE in Richtung Berlin. Leider hatte der Umweg über Nebenstrecken entlang des Odenwaldes – die „Riedbahn“ wurde gerade erneuert – ihre Tücken. Noch vor der Ankunft am Frankfurter Hauptbahnhof verlor die Reisegruppe eine halbe Stunde. Die Zeit sollte mit Milchkaffee im Bordbistro überbrückt werden. Zum Leidwesen der Speyerer gab es allerdings nur mitgebrachten schwarzen Kaffee aus der Thermoskanne, denn auch die Kaffeemaschine im Bistro musste sich, wie die Strecke, einer Prüfung unterziehen.
Kein Problem, sagten sich die wandererfahrenen Speyerer: ob im Pfälzerwald oder im ICE – Brötchen und hartgekochte Eier sind eigentlich immer dabei. Lesen und Nintendo spielen halfen zusätzlich, die Zeit zu verkürzen. Darüberhinaus lernten sich die Teilnehmer im Alter von 12 bis 90 Jahren durch die Verzögerung schnell kennen und tauchten in Gespräche über die unterschiedlichsten Themen ein.
Nachdem Frankfurt erreicht war, ging es flott weiter und der Zug erreichte nahezu pünktlich den Bahnhof Spandau, wo die Speyerer in die U-Bahn umstiegen. Reiseziel war der Savignyplatz an der Kantstrasse und die „Pension Peters“, die Herberge der PWVler für die nächsten sieben Tage. Dem Gebäude sah man die verblasste Majestät an und Marmor im Treppenaufgang ist in Speyer doch eher selten. Die Zimmer besaßen, wie in klassischen Berliner Bürgerwohnungen üblich, hohe Decken und waren sehr geräumig.
Im Zentrum des alten West-Berlin
Das Wohnen an einer Hauptverkehrsstraße wollte aber gelernt sein. Der Savignyplatz liegt zudem im Zentrum des alten West-Berlins und war vor dem Mauerfall ein stark frequentiertes Ausgehviertel, so dass ein gewisser Geräuschpegel nicht zu überhören war. Heutzutage ist es dort etwas ruhiger, aber für einen Absacker oder einen Schlaftrunk gibt es dennoch reichlich Auswahl. Nach zwei Tagen hatte sich der Mexikaner „Fase Lunar“ zum Stammtisch gemausert. Allerdings galt es, von der pfälzischen Rieslingschorle (0,5 Liter) auf Margaritas umzusteigen. Für den Pfälzer eine kritische Phase, doch eine Woche könne überbrückt werden, so der allgemeine Tenor. Am ersten Abend ließen es sich die Speyerer in der Osteria „Berlin“ (wie passend) gutgehen. Dort gab es leckere Pizzas zu erschwinglichen Preisen, doch nach der langen Reise und einem leckeren Abendmahl sanken die Berlin-Reisenden müde aber glücklich in ihre Betten.
Der Samstag begann mit einem ausgiebigen und entspannten Frühstück in der Pension, denn der Bus für die Stadtrundfahrt, die eine erste Orientierung geben sollte, war für 9 Uhr bestellt worden. Unser Begleiter, Christian, war ein Berliner Original, wie man so schön sagt. Er brachte uns eine Menge Wissenswertes aber auch Klatsch und Tratsch über die Hauptstadt nahe. Eine der sehens- und bemerkenswertesten Stellen, die auf dem Weg lagen, war die East Side Gallery, ein etwa 2 Kilometer langes erhaltenes Stück der Berliner Mauer, auf dem sich zahlreiche Künstler verewigt hatten. Berühmt ist der sozialistische Bruderkuss zwischen dem Generalsekretär der damaligen UdSSR, Leonid Breschnew, und Erich Honecker, dem Staatsratsvorsitzenden der DDR. Das Graffiti des Moskauer Malers Dimitri Wrubel ist die Reproduktion einer Fotografie von 1979, aufgenommen während der Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag der Gründung der DDR im Jahre 1979.
Am Nachmittag wurde die Speyerer PWV-Reisegruppe bei schönstem Sonnenschein am Grunewaldturm nahe des Wannsees abgesetzt. Der Grunewald ist ein weitläufiges Waldgebiet im Westen von Berlin und war auch Naherholungsgebiet des alten West-Berlin. In der Mitte überragt der Grunewaldturm die Baumwipfel. Der Turm aus rotem Backstein ist Denkmal, Aussichtsturm und Ausflugsziel zugleich. „Mitten im Wald, hoch über den Ufern der Havel, steht der Grunewaldturm wie ein Kleinod verspielter Backsteinarchitektur. Von der Aussichtsplattform hat man einen herrlichen Rundblick über die Landschaft, und am Fuß des Turms können sich Besucher in einem Restaurant mit Terrasse kulinarisch verwöhnen lassen“ ist auf der Homepage zu lesen. Stimmt! (auch wenn die Helfer auf den Hütten im Pfälzerwald etwas fixer beim Bedienen sind).
Mit dem Dampfer auf Erkundungsfahrt
Eine kleine Wanderung entlang des Wannsees brachte die Entdeckunsgreisenden „zurück in die Zivilisation“ und zur nahegelegenen U-Bahnstation. Wäre etwas mehr Zeit gewesen, hätten die Teilnehmer auch das Max Liebermann Haus und das Haus der Wannseekonferenz besichtigen können, die nicht weit entfernt am Wannsee liegen. Allerdings stand am frühen Abend ein weitere Programmpunkt auf der Agenda: die Spreerundfahrt. Die Tour mit dem Ausflugsdampfer bot die Gelegenheit, Berlin sprichwörtlich von einer anderen Seite zu sehen. Die Gruppe staunte über die weitläufigen Wasserlandschaften rund um die Hauptstadt. Ein derart ausgedehntes Tagesprogramm sorgte schließlich auch für einen Zustand, den man als „platt“ bezeichnet. So blieben am ersten Reisetag viele Eindrücke hängen. Der bemerkenswerteste dabei war: Berlin ist wahrlich riesig!
Am Sonntag, den 26. Oktober, stand dann die erste „richtige“ Wanderung auf dem Programm. An der S-Bahnstation Grünau warteten die beiden Wanderführer Eckhardt und Heinz auf uns. Zuerst überquerten die Speyerer mit der Fähre die Dahme, dann wanderten sie durch die Mühleberge bis zum Müggelturm, wo eine kleine Pause eingelegt und die Aussichtsplattform erklommen wurde. Weiter ging es am Teufelssee und Müggelsee entlang – vorbei am wunderschönn Biergarten „Rübezahl“ – nach Friedrichshagen. Dort kehrten die Wandererinnen und Wanderer in der Bürgerbräu-Brauerei, einem eindrucksvollen und denkmalgeschützten Gebäude, ein.
Auf dem Mauerweg unterwegs
Für den nächsten Tag war eine Wanderung durch den Spandauer Forst im Westen Berlins geplant. Wieder ging es mit der S-Bahn vom Savignyplatz bis zum Hauptbahnhof Spandau und anschließend mit dem Bus bis zur Endhaltestelle Johannesstift. Dort wartete schon Wanderführer Wolfgang auf die Gruppe. Während der schönen Tour durch den Forst brachte er den PWVlern die Eigenheiten der Berliner Landschaft nahe. Die Speyerer staunten erneut über den Wald- und Wasserreichtum Berlins. An einer Stelle liefen sie sogar ein Stück den „Mauerweg“ entlang, der den ehemaligen Verlauf der Berliner Mauer markiert.
Unvermittelt stand die Reisegruppe vor der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Falkensee, das zum ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen gehörte. Hier mussten 2500 Männer aus ganz Europa während des 2. Weltkriegs Zwangsarbeit leisten und Panzerausrüstung und Munition herstellen. Der Gang durch den sich anschließenden „Geschichtspark“ sorgte für sehr nachdenkliche und bedrückte Stimmung.
Von diesem geschichtsträchtigen Ort war der Weg nach Spandau nicht mehr weit. Quer durch die Stadt ziehen sich grüne Schneisen und nach knapp 15 Kilometern erreichten die Teilnehmer den Ausgangspunkt am Spandauer Bahnhof. Inzwischen hatte sich Hunger bemerkbar gemacht und die Speyerer kehrten im Gasthaus „Spandauer Bierbrunnen“ ein. Die „Berliner Weiße“ schmeckte. Die Farben des Mixgetränkes aus Weißbier und Waldmeister- (grün) oder Himbeersirup (rot) waren zwar etwas gewöhnungsbedürftig, aber wenn der Durst so richtig groß ist, spielt das keine Rolle.
Potsdam – vom Holländischen Viertel nach Sanssouci
Am darauffolgenden Dienstag stand der Besuch Postdams auf dem Programm. Wieder nutzten die Reisenden die S-Bahn: in Berlin mit seinem umfangreichen Nahverkehrsangebot braucht man nun wirklich kein Auto! Stadtführer Christian, der die Gruppe schon bei der Busrundfahrt am Samstag begleitet hatte, stand am Bahnhof bereit und leitete die Speyerer durch das morgendliche, noch nahezu leergefegte Potsdam. Freie Bahn bei der Wanderung durch die Innenstadt! Das Stadtschloss, die Nicolaikirche und das Museum Barberini waren äußerst sehenswert.
Ein Großteil der Innenstadt ist erst vor wenigen Jahren wieder aufgebaut worden, nachdem es im Zweiten Weltkrieg stark zerstört worden war. Insbesondere das Stadtzentrum und das Gebiet zwischen Havel, Altem Markt und Bassinplatz wurden kurz vor Kriegsende am 14. April 1945 durch einen Bombenangriff schwer getroffen. Der Hauptbahnhof, das Stadtschloss, der lange Stall und die Garnisonkirche brannten vollkommen aus.
Ein sehenswertes Kleinod ist das holländische Viertel, in dem man sich nach Amsterdam oder Haarlem versetzt fühlt. Kleine charmante Läden und Cafés laden zum Bummeln ein. Den unbestrittenen Höhepukt stellt jedoch das Schloss und der Park von Sanssouci dar. Die Anlage ist so weitläufig, dass man dort problemlos eine längere Wanderung absolvieren kann. Die ehemalige Sommerresidenz der Könige von Preußen wurde zwischen 1745 und 1747 von Friedrich dem Großen im Rokokostil erbaut. Der Name Sanssouci – ohne Sorge – ist dabei als Wunsch und Leitmotiv des Königs zu verstehen, denn hierher zog er sich mit seinen Hunden am liebsten zurück. Bemerkenswert ist, dass sich der König auf der obersten Weinbergterrasse in einer Gruft beisetzen lassen wollte. Sein Wunsch ist, wenn auch erst 1991, in Erfüllung gegangen. Das Grab Friedrichs des Großen befindet sich auf der oberen Terrasse. Den Nachmittag genossen die Teilnehmer nach ihrer Facon – frei nach einem Zitat des „Alten Fritz“: „Jeder soll nach seiner Fasson selig werden“.
E-Roller kosten Nerven, machen aber auch Spaß
Für Kinder ist Berlin wie ein Abenteuerspielplatz. Es gibt spannende Museen, interessante Geschäfte und unentdeckte Ecken. Die E-Roller, die oft gefährlich schnell an den Fußgängern vorbeirasten und nach Benutzung wahllos verstreut herumliegen, kosteten die Speyerer oft den letzten Nerv. Dabei eignenen sie sich (auch für etwas ältere Kinder) bestens, um die Stadt zu erkunden. Man musste zwar zunächst etwas umständlich die richtige App herunterladen, aber dann funktionierte das System sehr gut. Auf den breit angelegten Radwegen konnte man gefahrlos unterwegs sein und dazu noch Heidenspaß haben. Billig war das Vergnügen jedoch nicht: 10 Euro kostete die rund 5 Kilometer lange Strecke vom Alexanderplatz bis zum Savignyplatz.
Am Abend tauchten die PWVler in das reichhaltige Kulturleben Berlins ein. Der größere Teil der Gruppe schaute sich im Stage Theater des Westens das Musical „Ku´damm 59“ an. Inhalt: die Bewältigung der Nachkriegszeit mit allen körperlichen und psychischen Veletzungen, die der Krieg bei den Menschen hinterlassen hat – gepaart mit der Aufbruchsstimmung und der neuen Lust am Leben in einem aus der Asche neu entstandenen Deutschland.
Gelebte Politik im Reichstag
Das Beste kommt zum Schluss, wie es so schön heißt, und so besuchten die Speyerer am letzten Tag den Reichstag. Freunde des Schlangestehens und des Malers Gerhard Richter, dessen Werke die Wände des Reichstages schmücken, kamen hier auf ihre Kosten. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis die Reisegruppe durch Sicherheitsschranken und an Besucherschlangen entlang zum Plenarsaal vordrang. Die Wartezeit vertrieben sie sich mit der Lektüre des Grundgesetzes. Lesematerial zur deutschen Verfassung und Politik gab es reichlich und umsonst. Die Stimmung der Teilnehmer und auch das Wetter waren gut und das entgegen seiner Trutzigkeit eher abweisend wirkende Reichstagsgebäude zeigte sich im Inneren dank der Kuppel des Architekten Forster erstaunlich lichtdurchflutet.
Leider fand keine Sitzungsphase statt, weshalb die PWVler auf das Vergnügen, dem Parlament lauschen zu dürfen, verzichten mussten. Die Touristenführer im Reichstag waren aber sehr motiviert, weshalb es auf den Zuschauerrängen zu einer angeregten und unterhaltsamen Debatte kam. Misbah Khan, Bundestagsabgeordnete und Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen in Rheinland-Pfalz, nahm sich für die Speyerer eine ganze Stunde Zeit, um über aktuelle Themen zu diskutieren. Natürlich war es spannend, einen Einblick hinter die Kulissen des politischen Geschäft werfen zu können. Schließlich wurde das kulinarische Angebot des Paul-Löbe-Hauses in Form eines späten Mittagessens getestet. Das Paul-Löbe-Haus ist ein Funktionsgebäude des Deutschen Bundestags im Berliner Regierungsviertel. Es ist nach dem Reichstagspräsidenten und Alterspräsidenten des ersten Deutschen Bundestags, Paul Löbe (SPD), benannt .Leider hieß es hier erneut, Schlange an den Sicherheitsschleusen zu stehen.
Unvergessliche Eindrücke – Dank an Organisatoren
Am Donnerstag, dem 24. Oktober, galt es, Abschied von Berlin zu nehmen. Die Stadt ist immer eine Reise wert, war man sich einig und es war beeindruckend, sie auch von einer anderen Seite kennenzulernen. Denn wer kommt schon auf die Idee, in Berlin zu wandern? Neben dem Pfälzerwald Verein vielleicht noch Theodor Fontane, der ja bekanntlich durch die Mark Brandenburg wanderte.
Die Mischung stimmte. Die Reisegruppe schnappte jede Menge kultureller, geschichtlicher und politischer Berliner Luft und auch die Gemeinschaft kam ausgiebig zum Zuge. Das machte Lust auf mehr. Doch anstrengend war die politische Bildungsreise auch, weshalb alle Teilnehmer am Ende froh waren, wieder gut in Speyer angekommen zu sein.
Ein herzliches Dankeschön sei an dieser Stelle gerichtet an Brigitte Regenbrecht und Helmut Back. Die Organisation einer solch aufwändigen Reise mit einem „Sack voller Flöhe“ im Gepäck war wirklich nicht ohne. Doch am Ende waren sich alle Teilnehmer einig: sie sind wieder dabei wenn es heißt: „wir fahren nach…“… ja, wohin wohl?