Juni 1990: Gang nach Canossa Teil 3 – Von Besançon über Genf nach Italien

Die Gorges du Fier, eine beeindruckende Schlucht, die der Fluss Fier gegraben hat.

Am Dienstag, den 19. Juni 1990, machten sich die Speyerer von Besançon aus auf den Weg nach Genf. Rund 200 Kilometer mussten zurückgelegt werden. Die abwechslungsreiche Fahrt führte durch die Franche-Comté über Quingey, Salins-les-Bains, Champagnole und Morez bis zum 1392 Meter hohen Col de la Faucille. Schließlich erreichte die PWV-Truppe Genf.

Dort machten sich die Speyerer nach kurzer Orientierung vom Busparkplatz aus auf den Weg durch die Stadt zur Rhone Insel und zu den Ponts de l’Ile. Das ist die Stelle, an der Heinrich IV. mit großer Wahrscheinlichkeit die Rhone überquerte. Von dort aus ging es zu Fuß durch die Altstadt, wobei der Innenhof des Rathauses, das Relief von Genf im Maison Travel und die Kathedrale St. Pierre in Augenschein genommen wurden.

Hintergrund: Hinter Genf begann einst das Gebiet der Markgräfin Adelheid, der Herrscherin Turins, Königin Berthas Mutter und damit Heinrichs Schwiegermutter. Der König wollte keine Zeit verlieren und den Weg fortsetzen, aber Adelheid forderte für ihre Erlaubnis, den Mont Cenis zu überqueren, die Überschreibung von fünf Bistümern in Italien. Nach zähen Verhandlungen einigten sich die beiden schließlich auf die Übertragung einer Abtei am Genfer See (ob damals das Vorurteil, dass Schwiegermütter zuweilen unsymphatisch sein können, entstanden ist, bleibt im Dunkel der Geschichte verborgen. Anm. d. Red.). Bedingung dafür war jedoch, dass Adelheid auf Papst Gregor VII. einwirken sollte, damit dieser den Bann von Heinrich nahm. Adelheid willigte ein und so entstand aus einer versuchten Erpressung der Schwiegermutter eine mittelalterliche Win-Win-Situation.

Das Palais de l’Ile in Annecy, einst Gefägnis und heute Museum am Thiou-Kanal.

Wieder zurück im Bus setze die Gruppe ihre Reise fort, überquerte bald die Grenze nach Frankreich und erreichte schließlich die Gorges (Schluchten) de Fier, eine beeindruckende Felsenlandschaft, mit Blick auf die Anlage der Burg Montrottier. Kurz danach war Annecy erreicht, die Hauptstadt von Hoch-Savoyen, „alt und modern, lebendig und liebenswert und einer der schönsten Plätze der Tour“, vermerkte Helga Blum in ihrem Reisetagebuch.

Dies bewahrheitete sich bei der Tour durch die fast vollständig erhaltene Altstadt, die die Speyerer PWV-Gruppe begeistert durchwanderte. Annecy wird vom Thiou-Kanal durchzogen, einem natürlichen Ausfluss des Lac d’Annecy. Der See ist 13 Kilometer lang, zwischen 800 und 3500 Meter breit und hat eine mittlere Wassertiefe von 42 Metern. Nachdem Ende der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts die Einleitung von Abwässern gestoppt worden war, entwickelte er sich zum saubersten See Europas, was bis heute (2025) so geblieben ist.

Romantische Winkel am Thiou-Kanal in Annecy.

Am frühen Morgen des 21. Juni 1990, einem Donnerstag, machten sich die Speyerer auf zum Col du Mont Cenis. Vorbei ging es an Aix-les-Bains, Chambery, Montmélian, St. Jean-de-Maurienne, Modane und Lanslebourg. Der Col du Mont Cenis ist der Übergang vom Arc-Tal zum Tal der Dora Riparia. Diesen Pass hatte, wie bereits erwähnt, auch Heinrich überschritten.

Im Jahre 1077 herrschte ein ungewöhnlich strenger Winter. Der Rhein war zugefroren und die Passhöhe mit Eis und Schnee nahezu gänzlich versperrt. Schließlich gelang Heinrich und seinem Gefoge der Übergang. Ein Chronist berichtet:

Bald auf Händen und Füßen kriechend, bald auf die Schultern der Führer gestützt, bisweilen auch, wenn man auf dem Eis ausglitt, fallend und weiterrollend, gelangten sie doch endlich mit großer Lebensgefahr in die Ebene. Die Königin (Bertha) und die anderen Frauen setzte man auf Ochsenhäute, die die Führer abwärts gleiten ließen“.

Die „fröhlichen Bußgänger“ des PWV Speyer auf dem Weg zur Passhöhe des Mont Cenis.

Im Sommer 1990, rund 913 Jahre nach Heinrichs Passüberquerung, waren die Bedingungen durchaus angenehmer. Und wer schon die Kalmit bezwungen hat, fürchtet den 2083 Meter hohen Col du Mont Cenis ohnehin nicht. Und so machten sich die Speyerer PWV-Mutigen auf dem Weg nach oben.

Staunend beobachten Kühe die muntere Wandergruppe aus der Pfalz.

Auf dem Pass angekommen unternahm die Wandergruppe eine rund 11 Kilometer lange Wanderung bis auf eine Höhe von 2300 Metern. An einer Alm mit staunenden Kühen vorbei ging es hinauf zum Fort de Ronce. Die majestätische Alpenlandschaft sorgte für ein beeindruckendes Panorama, das die Speyerer ausgiebig genossen.

Fort de Ronce.

Am Nachmittag schließlich ging die Reise weiter über die italienische Grenze nach Piemont bis nach Bardonecchia. Fortsetzung folgt…